Wenn Gefühle fließen dürfen – beginnt Heilung.

Zusammenbruch. Egal ob in Form eines Burnouts, Nervenzusammenbruchs oder einer Depression - er ist kein plötzlich auftretendes Ereignis. Kein Moment, der aus dem Nichts kommt. Doch wann begann der Weg dort hin? Was haben wir übersehen? Oder besser gesagt: überhört? Die Stimme unseres Inneren - unsere Emotionen. Zu weit haben wir uns entfernt von unserem eigentlichen Kern.

Der letztendliche Zusammenbruch - wenn es soweit kommt - ist meist kein Zusammenbruch dessen, was wir brauchen oder sind, sondern dessen, was nie für uns bestimmt war. Diesen Aufschrei, der von außen still erscheinen mag, aber auch unangenehm laut sein kann, kann als Schutz vor weiterem Selbstverrat gesehen werden.

Oft plagen uns Schuldgefühle. Es ist schwer vorstellbar, in dieser Erfahrung eine Chance zu erkennen. So ging es mir jedenfalls. Der Druck funktionieren zu müssen, am stärksten spürbar - wenn wir das Gefühl haben, diesem Anspruch nicht gerecht zu werden, wiegt erdrückend schwer. Er führt oft in Verzweiflung. In das Gefühl: Ich bin nicht gut genug.

Doch wenn selbst die Flucht in Überkompensation oder Betäubung irgendwann nicht mehr greift, stehen wir vor etwas, dem wir viel zu lange aus dem Weg gegangen sind: uns selbst.

Doch was bedeutet es eigentlich, uns selbst wieder zu begegnen? Und wieso graut uns oft so sehr davor?

Ein erster Schritt in Richtung emotionale Selbstführung ist, unsere Emotionen zu verstehen. Wieder zuzuhören. Denn meist sind unsere Emotionen nicht bedrohlich, sondern das, was wir über sie gelernt haben. Wenn es dir so geht wie mir, dann hat uns niemand - auch nicht in der Schule - direkt über unsere Emotionen aufgeklärt. Uns wurden keine Begriffe, Bücher oder Tools an die Hand gegeben. Unser Wissen über Gefühle haben wir beobachtet, abgeschaut, übernommen. Schnell haben wir gelernt, welche Emotionen gern gesehen werden - und welche wir lieber unterdrücken sollten. Wir wurden emotional konditioniert - durch ein Umfeld, das nicht wusste, wie man Emotionen gesunden Raum hält.

Wenn ich meine zweijährige Tochter betrachte - ein Kind in voller Rohheit - sehe ich immer wieder neue Emotionen in ihr aufflammen. Wut. Frust. Traurigkeit. Und so, wie ich sie zum ersten Mal bei ihr beobachte, fühlt sie sie auch zum ersten Mal in diesem Leben. Ich frage mich: Wie ist es wohl, ein Gefühl zum ersten Mal zu fühlen?

Betrachten wir eine Emotion wie eine Welle, die uns durchströmt, was passiert wenn diese Welle nicht sicher durch uns hindurchfließen kann? Wenn sie gestoppt wird? Was ist, wenn Mama oder Papa auf meine Emotion mit Wut reagieren - oder mich nicht ernst nehmen? Obwohl dieses Gefühl für mich - ein kleines Kind in einer großen, noch unbekannten Welt- so echt ist? Was, wenn dann noch Angst, Scham oder Traurigkeit hinzukommt? Und ich mich einfach nicht so fühlen will? Und auch nicht möchte, das meine Eltern wütend werden? Dass sich niemand über mich lustig macht.

Wenn mir niemand zeigt, wie ich auf gesunde Weise den natürlichen Fluss der Emotion zulassen kann - wie ich meine Bedürfnisse benenne, mich selbst verstehen darf - dann finde ich selbst Wege, um diese Situation zu vermeiden.

Und genau hier beginnt es.

Der Verlust der Sprache unserer Seele - und damit die Entfernung vom Zugang zu unserer wahren Identität.